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Gesunde Grenzen schaffen

Es ist Zeit, Grenzen zu setzen, wenn:

Nichts zeigt uns mehr, wie schwer es ist, Grenzen zu setzen, als wenn wir nach Hause zu unseren Familien gehen. Wir halten uns für Erwachsene, wir haben vielleicht einen Job, in dem man zu uns aufschaut, wir meditieren vielleicht und denken, wir hätten unserm Leben im Griff.... Und dann gehen wir nach Hause und werden wieder in alte Verletzungen und Trigger zurückkatapultiert. Wir verstehen nicht, warum uns jede vermeintliche Kränkung und jeder Kommentar so unter die Haut geht. Wir werden in das gleiche sinnlose Drama hineingezogen, in das wir schon unzählige Male hineingezogen wurden, und fühlen uns wie ausgelaugt.

 

Kommst du dir ausgenutzt vor?

Findest du, dass du dich über bestimmte Menschen oder Situationen ärgerst, gereizt oder nachtragend bist? Du setzt dich für andere ein und sorgst dafür, dass es ihnen gut geht, während du selbst unglücklich bist und du das Gefühl hast, dass du schlecht bist. Durch Andere fühlst du dich schuldig, oder du hast Angst vor den Konsequenzen, wenn du ihnen nicht mehr das gibst, was sie von dir verlangen. All dies sind sichere Anzeichen dafür, dass wir nicht gelernt haben, gesunde Grenzen zu ziehen.

 

Gesunde Grenzen sind der Leitfaden für erfolgreiche Beziehungen. Ohne Grenzen können Beziehungen nicht gedeihen, sondern führen stattdessen zu Gefühlen wie Groll, Enttäuschung, Isolation oder dem Gefühl, dass es keine klare Trennung zwischen unseren Bedürfnissen und den Gefühlen des anderen gibt ( sog. Verstrickung). Grenzen sind dann gegeben, wenn du dir darüber im Klaren bist, was du brauchst und was du nicht möchtest, und wenn du in der Lage bist, diese Bedürfnisse und Wünsche zu äußern. Die Menschen wollen nicht unbedingt deine Grenzen verletzen, aber sie tun es unabsichtlich, wenn du selbst nicht genau weist, was du willst.

 

Grenzen sorgen für eine Verbindung mit deiner Intuition.

Als du noch ein Kind warst oder zumindest bis deine Umwelt dir etwas anderes lehrte, vertrautest du auf dein*e inneres*e Leitsystem - deine Intuition - auf Körpersignale, die sich in Form von somatischen Hilferufen zeigten. Diese Notsignale können sich als Verengung oder Ausdehnung des Brustkorbs, als Schwere, Leichtigkeit oder Enge im Hals, als Knoten im Magen und so weiter äußern. Du empfängst diese Signale immer noch, aber wenn du sie ständig ignorierst, äußern sie sich schließlich in Form von chronischer Migräne, Verdauungsstörungen, Schmerzen, Autoimmunstörungen und ähnlichem. Jetzt merkst du vielleicht, warum es wichtig ist, daran zu üben Grenzen zu setzen.

 

Die sechs verschiedenen Arten von Grenzen, die wir haben müssen:

1. Körperliche Grenzen

Zu den körperlichen Grenzen gehört, wie wohl wir uns mit körperlichen Berührungen fühlen, wie viel körperliche Nähe wir zu anderen haben möchten und wie oft wir andere sehen wollen. Zu diesen Grenzen gehört auch die Befriedigung unserer körperlichen Bedürfnisse wie Sicherheit, Ruhe, Essen und Trinken.

 

Zu den körperlichen Grenzen gehört auch, wie wohl du dich fühlst, wenn du den Büroraum, deine Wohnung oder deinen Besitz mit anderen teilst. Wie wohl du dich fühlen, wenn jemand eine Bemerkung über unsere Sexualität oder unser Aussehen macht, ist eine weitere Verletzung unserer körperlichen Grenzen.

 

Man fühlt sich körperlich verletzt, wenn die körperlichen Bedürfnisse verwehrt werden, weil jemand sagt, dass man nicht auf die Toilette gehen darf, obwohl man ein starkes Bedürfnis danach hat. Deine körperlichen Grenzen werden überschritten, wenn dich jemand unangemessen berührt oder wenn jemand dein Zimmer oder Büro auf eine Weise betritt, die dir unangenehm ist.

 

2. Grenzen der Zeitressourcen

Deine Zeit ist wertvoll, und deshalb ist es wichtig, dass du lernst, sie zu schützen. Wenn es darum geht, Grenzen zu setzen, muss dir Bewusst sein, was dir wichtig ist, und deine Prioritäten so setzen, dass du dich nicht zu sehr verpflichtest. Grenzen zu setzen ist unglaublich wichtig in dieser modernen Welt, in der wir durch Handys, Instant Messaging und Computer rund um die Uhr für andere erreichbar sind.

 

3. Materielle Grenzen

Geld und Besitz zu benutzen, um eine Beziehung zu manipulieren und zu kontrollieren, ist eine Möglichkeit, materielle Grenzen zu verletzen.

Verliert, zerbricht oder stiehlt jemand Dinge, die er*sie von dir geliehen hat, verletzt er*sie deine materiellen Grenzen.

Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, wie du möchtest, dass andere mit deinem Besitz umgehen. Du musst Grenzen setzen, um festzulegen, was du teilen kannst und was nicht, wenn es um dein Haus, dein Geld, dein Auto, deine Kleidung oder andere materielle Besitztümer geht, die du hast.  Grenzen zu setzen ist gesund und verhindert, dass in dir Unmut aufgestaut wird.

 

4. Emotionale und Geistige Grenzen

Sobald wir übermäßige Gedanken und Gefühle mit jedem teilen, der uns zuhört, auch wenn wir nicht darum gebeten wurden, verletzen wir ihre emotionalen und mentalen Grenzen.

 

Wenn du davon ausgehst, dass du weist, was andere fühlen, oder andere aufforderst, ihre Gefühle zu rechtfertigen, oder sie gar abtust und kritisierst, verletzt du ihre emotionalen und mentalen Grenzen.

 

Wenn du unangemessene Fragen stellst, von anderen erwartest, dass sie dieselben Überzeugungen und Gedanken haben wie du, oder darauf bestehst, dass sie ihre Gedanken, Überzeugungen und Gefühle mit dir teilen, verletzt du ihre emotionale und mentale Grenzen.

 

Wenn uns emotionale und mentale Grenzen fehlen, neigen wir dazu, es anderen recht zu machen, ohne auf unsere eigenen Bedürfnisse zu achten. Wir scheinen ständig in das Drama anderer Menschen verwickelt zu sein und haben den fest verankerten Wunsch, Menschen zu "reparieren".

 

Tendierst du dazu, andere für deine Gefühle verantwortlich zu machen? Bei dieser Grenze geht es darum, die Gefühle und die emotionale Energie einer anderen Person zu respektieren und zu achten, und es ist wahrscheinlich genau die Grenze, die viele von uns unbewusst am häufigsten verletzen.

 

5. Intellektuelle Grenzen

Wir haben gesunde intellektuelle Grenzen, wenn wir die Gedanken und Ideen anderer Menschen respektieren, ohne sie auszugrenzen, herabzusetzen oder zu kritisieren. Wir sind bereit, neugierig zu sein und zu versuchen, den Standpunkt der anderen Person zu verstehen.

 

Wenn du neugierig auf eine andere Meinung bist, bedeutet das nicht, dass du Äußerungen und Standpunkte akzeptieren musst, die du als Homophob, fremdenfeindlich, rassistisch, sexistisch oder generell schädlich für andere ansiehst. Wenn dies geschieht, musst du Grenzen setzen, indem du der Person wissen lässt, dass du diese Art von Gerede nicht duldest, oder du kannst dich von ihr*ihm distanzieren oder sie auch völlig ausschließen.

 

6. Sexualgrenzen

Wenn du gesunde sexuelle Grenzen hast, hast du keine Angst, nein zu sagen zu dem, was du nicht willst oder was dich verletzt. Du bist dann auch fähig, das anzusprechen, was dir Lust bereitet. Du hast kein Problem damit, über Verhütung zu sprechen oder darüber, ob du Kondome benutzen willst oder nicht.

 

Du beschützt das Recht auf Privatsphäre für dich und andere. Bei dieser Grenze geht es um Zustimmung, Privatsphäre, Einverständnis, Respekt für sich und die anderen sowie um das Verständnis von Vorlieben und Wünschen. 

 

Du verletzt sexuelle Grenzen, wenn du über deine sexuelle Vergangenheit lügst und wenn du die sexuellen Wünsche oder Vorlieben deines*er Partners*in kritisierst.

 

Zudem verletzt du sexuelle Grenzen, wenn du wütend wirst, schmollst oder dein*e Partner*in bestrafst, weil er*sie deinen sexuellen Forderungen nicht nachgibt. Wenn du nicht nach dem Einverständnis des Partners*in fragst oder wenn du unerwünschte sexuelle Andeutungen machst.

 

Lernen, gesunde Grenzen zu etablieren

  1. Du musst zuerst herausfinden, wo deine Grenzen liegen, bevor du sie definieren kannst. Frag dich, wie du dich bei bestimmten Menschen und in bestimmten Situationen fühlst. Ist es ein gutes oder ein schlechtes Gefühl, das du dabei empfindest? Wenn letzteres der Fall ist, ist es an der Zeit, etwas zu ändern.
  2. Was erhoffst du dir, wenn du Grenzen setzt? Ist es innerer Frieden? Mehr Zeit? Mehr Autonomie? Mehr Selbstvertrauen?
  3. Ermittele dein "Warum", indem du dir eine Absicht setzt. Dadurch wird es einfacher für dich, zu üben, anderen mitzuteilen, wo deine Grenzen liegen.
  4. Bleibe objektiv, wenn du anderen gegenüber deine Grenzen aufzeigst. Benutze immer "ich" oder "ich"-Sätze und nicht "du"-Sätze, damit die andere Person nicht abwehrend reagiert.
  5. Erkenne und akzeptiere, dass du mit belastenden Gefühlen konfrontiert werden wirst. Da andere es sich zur Gewohnheit gemacht haben, bestimmte Dinge von dir zu erwarten, insbesondere diejenigen, die dir am nächsten stehen, kannst du mit Rückschlägen rechnen, wenn du anfängst, dich zu verändern. Wenn deine Mutter zum Beispiel daran gewöhnt ist, stundenlang am Telefon über ihre Gesundheit zu klagen, könnte sie dich als egoistisch bezeichnen oder behaupten, du würdest sie nicht lieben, wenn du anfängst, diese Anrufe zu verkürzen.

Sei nachsichtig mit dir selbst

Das ist harte Arbeit. Am einfachsten ist es, mit Menschen zu üben, die du nicht oder nicht gut kennst, bevor du zu Freunden, Partnern und Familienmitgliedern übergehst.

 

Du kannst im Vorfeld üben, was du sagen könntest und wie du auf negative Kommentare oder Forderungen reagieren könntest. Übe dies laut vor einem Spiegel.

 

Es wird verlockend sein, dem äußeren Druck nachzugeben. Es hat ein Leben lang gedauert, diese Verstrickungen und Muster mit Familie und Freunden aufzubauen. Alte Gewohnheiten werden nicht von heute auf morgen verschwinden. Zeige Geduld und Mitgefühl mit dir selbst, besonders wenn du dich mal nicht durchsetzen kannst.

 

Mit etwas Übung wird es einfacher, die gesunden Grenzen zu entwickeln, die du brauchst, um gesunde Beziehungen aufrechtzuerhalten. Dadurch fühlst du dich wohl und heil, und nicht schlecht und erschöpft.

 

Hier einige Beispiele, wobei du stets auf einen freundlichen und neutralen Tonfall und Gesichtsausdruck achten solltest:
  • Emotionale und geistige Grenzen: “Ich finde es nett, dass du an mich denkst. Ich würde gerne, aber jetzt ist kein guter Zeitpunkt für mich."
  • Grenzen der Zeitressourcen: "Was du mir zu sagen hast, ist wichtig für mich und ich würde dir zwar gerne zuhören, aber ich muss jetzt (xyz) machen. Ich bin gestresst, wenn ich zu spät komme, unter Zeitdruck stehe oder nicht in der Lage bin, mein Bestes zu geben, (usw.)."
  • Materielle Grenzen "Bitte esse nicht von meinem Teller. Ich mag es nicht, wenn jemand von meinem Teller isst oder aus meinem Glas trinkt. Ich hole dir aber gerne etwas."
  • Emotionale und geistige Grenzen: "Ich schätze (xyz). Ich fühle mich aber dabei nicht wohl. Vielleicht können wir (hier eine Alternative einfügen)?"
  • Sexuelle Grenze: "Das fühlt sich für mich nicht gut an. Aber es hat mir super gefallen, als du (xyz). Könntest du das noch 'mal machen?"
  • Materielle Grenzen "Sicher, du kannst dir dieses Buch ausleihen, aber lass uns ein Foto davon machen und eine Erinnerung in unseren Kalendern eintragen, damit du es auch nicht vergisst mir es wieder zurückzubringen, denn es passierte schon öfter, dass sich jemand ein Buch auslieh, ohne es zurückzugeben, und dieses hier ist eines meiner Lieblingsbücher."
  • Grenzen der Zeitressourcen: "Das ist für mich nicht machbar".
  • Sexuelle Grenze: "Ich möchte heute Abend keinen Sex haben, aber wir könnten gerne kuscheln. Wie hört sich das für dich an?"
  • Grenzen der Zeitressourcen: "Ich muss das noch abklären und komme dann auf dich zurück."
  • Emotionale und geistige Grenzen: "Wenn ich meine Gefühle mit dir teile und kritisiert werde, fühle ich mich ausgeschlossen. Ich kann mich dir nicht mitteilen, wenn du nicht auf eine respektvolle Art und Weise reagierst."
  • Grenzen der Zeitressourcen: "Ich helfe dir gerne dabei. Mein Stundensatz ist (xyz)."
  • Intellektuelle Grenzen "Dieses Gespräch ist wichtig für mich und ich würde es gerne fortsetzen, aber ich glaube nicht, dass das Familienessen ein guter Anlass dafür ist. Lass uns doch einen anderen Zeitpunkt vereinbaren, an dem wir das Thema vertiefen können."
  • Sexuelle Grenze: "Sag mir, was du magst."
  • Intellektuelle Grenzen "Danke für deinen Feedback. Wenn ich deinen Rat brauche, werde ich es dir mitteilen."
  • Materielle Grenzen "Ich kann dir kein Geld mehr leihen, aber ich helfe dir gerne auf andere Art und Weise."
  • Intellektuelle Grenzen "Einigen wir uns einfach darauf, dass wir unterschiedlicher Meinung sind."
  • Intellektuelle Grenzen "Ich habe Ihr Feedback während des Treffens sehr geschätzt. Der Ton, in dem es rüberkam, hat mir jedoch nicht gefallen. Ich fühlte mich übergangen. Wenn Sie in Zukunft etwas mit mir persönlich klären möchten, tun Sie das bitte, bevor wir in eine Sitzung gehen. Ich denke, ein gutes Teamverhältnis ist am Arbeitsplatz wichtig, Sie nicht auch?"
  • Körperliche Grenze "Ich fühle mich unwohl, wenn mir jemand zu nahe kommt... könnten Sie bitte einen Schritt zurücktreten?"
  • Körperliche Grenze "Ich bin allergisch gegen (xyz) oder ich bin auf Diät und (xyz), deshalb kann ich das nicht bei mir zu Hause haben / ich esse lieber andere Lebensmittel, um auf meine Gesundheit zu achten."

Dieses folgende Beispiel zum Gespräch wurde entnommen aus "How to Do the Work" von Dr. Nicole LaPera:

"Ist das ein guter Zeitpunkt, um über den Streit zu sprechen, den wir hatten? Ich habe darüber nachgedacht und ich glaube, ich habe (xyz) reagiert und denke, ich hätte (xyz) reagieren können. Ich mag es nicht, wenn zwischen uns eine Unstimmigkeit herrscht und würde gerne reinen Tisch machen, wenn das okay ist. Ich finde es nicht in Ordnung, wenn wir uns während eines Streits zu Beschimpfungen herablassen, und würde es begrüßen, wenn wir uns bei künftigen Meinungsverschiedenheiten nicht auf dieses Niveau begeben würden. Was du zu sagen hast, ist mir wichtig, und ich bin offen für alles, was uns helfen kann, uns näher zu kommen. Was meinst du?"

 

Umso mehr du lernst, Grenzen zu setzen und dich darin zu üben, desto klarer wird dir, wer du bist, und desto besser kannst du deiner Intuition folgen. Wenn du dich selbst besser kennst, deiner inneren Leitlinie folgst und diese Informationen anderen gegenüber klar kommunizierst, kann das zu besseren Beziehungen führen.

Auch du kannst lernen, gesunde Grenzen zu ziehen. Wenn du damit Hilfe brauchst, nehme Kontakt zu mir auf..

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